Ja, es ist richtig, dass ich gestern nicht an der Abstimmung zu den beiden
Entschließungsanträgen der CDU im Bundestag teilgenommen habe. Ich
habe Verständnis, dass nun viele von euch enttäuscht sind und von mir eine
andere Prioritätensetzung erwartet hätten.
Deshalb ist es mir wichtig, einige persönliche Worte an euch zu richten.
Am gestrigen Mittwoch haben CDU/CSU zwei Entschließungsanträge zur
Migrationspolitik im Deutschen Bundestag zur Abstimmung gestellt und die
Zustimmung der AfD billigend in Kauf genommen. Mit
Entschließungsanträgen fordert der Deutsche Bundestag die
Bundesregierung zum Handeln auf. Es handelt sich also um keine Gesetze,
die in Kraft treten. Das Verhalten von CDU/CSU und FDP, mit der AfD zu
stimmen, bedeutet trotzdem einen Dammbruch. Trotz aller Mahnungen und
Warnungen vor den Folgen, hat die Union gestern diesen Dammbruch
vollzogen.
An dieser namentlichen Abstimmung habe ich nicht teilgenommen.
Der Hanauer Anzeiger als größte Zeitung im Main-Kinzig-Kreis hatte
bereits im November alle Bundestagskandidaten im Wahlkreis 179 zu einer
Podiumsdiskussion anlässlich der anstehenden Bundestagswahl eingeladen.
Die Diskussion fand vor etwa 120 Schülerinnen und Schülern sowie etwa
60 weiteren angemeldeten Leserinnen und Lesern des Hanauer Anzeigers
am Mittwoch zwischen 11:30 und 13:30 Uhr statt. Dieser Einladung bin ich
nachgekommen, obwohl diese in die letzte Sitzungswoche des Deutschen
Bundestages dieser Legislatur gefallen ist. Damals war noch nicht absehbar,
was in den letzten Tagen passiert ist. Ich habe bis zuletzt an die Vernunft in
der Unionsfraktion geglaubt.
Als die CDU/CSU Anfang der Woche ankündigte, zwei Entschließungs-
anträge noch in dieser Woche einzubringen, habe ich selbstverständlich
überlegt, meine Teilnahme an der Podiumsdiskussion abzusagen.
Schließlich bin ich nach langer und intensiver Abwägung zu dem
Entschluss gekommen, dass ich es für falsch halte, die Podiumsbühne in
Hanau CDU und AfD zu überlassen, die dann ohne starke Gegenstimme ihre
billigen Migrationsthesen verbreiten können. Wie ihr dem beigefügten
Bericht des Hanauer Anzeigers entnehmen könnt, habe ich das fest
entschlossen getan. In meiner persönlichen Abwägung habe ich mich für die
Präsenz im Wahlkreis entschieden, auch weil erst sehr spät feststand, wann
genau die namentliche Abstimmung stattfinden wird und ich davon
ausgegangen bin, es noch rechtzeitig zur Abstimmung zu schaffen.
Direkt im Anschluss an die Diskussion habe ich mich auf die Rückreise nach
Berlin gemacht, um an der namentlichen Abstimmung teilzunehmen. Leider
habe ich dies nicht mehr rechtzeitig geschafft.
Im Rückblick muss ich gestehen, hätte ich die Podiumsdiskussion absagen
müssen, um eine Teilnahme an den beiden namentlichen Abstimmungen
sicherstellen zu können. Es ärgert mich umso mehr, weil diese erste
namentliche Abstimmung nur durch einen sehr dünnen Stimmenvorsprung
entschieden wurde, der so vorher nicht abzusehen war.
Zu meiner Kritik an diesem Verhalten der CDU/CSU stehe ich nach wie vor.
Ich stehe auch dazu, dass ich in einem offenen Brief meine
Bundestagskollegin Katja Leikert und ihren möglichen Nachfolger Pascal
Reddig aufgefordert habe, sich gegen diesen Kurs zu stellen.
Am Freitag stimmen wir über das „Zustrombegrenzungsgesetz“ der
CDU/CSU-Fraktion im Bundestag ab. Dies ist ein Gesetzesentwurf, der
anders als die Entschließungsanträge am Mittwoch, konkrete Folgen haben
wird und der in vielen Teilen gegen geltendes Recht verstößt. Zu dieser
Abstimmung werde ich selbstverständlich da sein und meine Stimme
abgeben, wenn die Union wieder versuchen wird, mit den Rechtsextremen
der AfD eine Mehrheit für ihre Politik zu finden.
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